70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges jährt sich 2015 auch der Beginn der Besatzung Deutschlands durch die Siegermächte. Ihrer Besatzungspolitik legten die Alliierten vier politische Ziele zugrunde. Eines dieser Ziele war die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus: die Entnazifizierung. Millionen Deutsche in Ost und West waren von diesem Prozedere betroffen.
Anhand von ausgewählten Lebensläufen veranschaulicht das AlliiertenMuseum das breite Spektrum der Entnazifizierungsmaßnahmen. Im Fokus der Sonderausstellung stehen nicht die NS-Kriegsverbrecher, die in den Nürnberger Prozessen vor Gericht standen. Es geht vielmehr um die vielen Millionen Mitglieder von NS-Organisationen, darunter rund 8,5 Millionen NSDAP-Parteimitglieder. Sie sollten durch die Entnazifizierung aus allen gesellschaftlich wichtigen Positionen entfernt werden, um eine neue Führungsschicht zu etablieren und einen demokratischen Neubeginn zu ermöglichen. Eine politische Säuberung von diesem Umfang war ohne Beispiel in der Geschichte.
Mithilfe eines umfassenden Fragebogens zielten die Alliierten darauf, den Grad der Verstrickung des Einzelnen in das NS-Regime zu ermitteln und ihn zu Sühnemaßnahmen heranzuziehen: Wer war als „Hauptschuldiger“, „Belasteter“, „Minderbelasteter“, „Mitläufer“ oder „Entlasteter“ einzustufen? Eine gigantische Aufgabe, die bei insgesamt weit mehr als vier Millionen Entnazifizierungsverfahren in den Jahren 1946 bis 1949 schnell an ihre Grenzen stieß. Kritiker sprechen gar von einer „Mitläuferfabrik“, die die Betroffenen von jeglicher Verantwortung reingewaschen habe. Und tatsächlich stuften die deutschen Spruchkammern und die Entnazifizierungskommissionen in 95 Prozent der Fälle die Betroffenen als Mitläufer oder Entlastete ein.
Die Sonderausstellung zeigt die Maßnahmen in den Westzonen, in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Vier-Sektoren-Stadt Berlin auf und verdeutlicht, wie unterschiedlich die vier Besatzungsmächte die politische Säuberung handhabten, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert waren und in welcher Weise die Spruchkammern und die Kommissionen schließlich zu Hauptakteuren wurden. Die zeitgenössische Bewertung der Entnazifizierung bildet den Schlusspunkt der Ausstellung.
Ist die Entnazifizierung gescheitert oder war die Integration ehemaliger Parteimitglieder eine Voraussetzung für den gesellschaftlichen Wiederaufbau in West und Ost? Mit rund 150 Objekten und Dokumenten wird die Sonderausstellung nicht nur historische Fragen beantworten, sondern auch aktuelle Fragen zu diesem bis heute brisanten Thema aufwerfen.
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Who was a Nazi?