Der Berliner Spionagetunnel steht für eine der spannendsten Geheimdienstoperationen aus den ersten Jahren des Kalten Krieges. Mit dem Ziel, die sowjetische Militärkommunikation anzuzapfen, planten und bauten der amerikanische Nachrichtendienst CIA und der britische SIS von 1953 bis 1955 einen geheimen Tunnel. Er verlief auf einer Länge von circa 430 Metern vom Ortsteil Rudow im amerikanischen Sektor Berlins nach Altglienicke im sowjetischen Sektor. Über die angezapften Leitungen hörten Amerikaner und Briten von Mai 1955 bis April 1956 mehr als 400.000 Telefonate der Sowjetarmee sowie einen umfangreichen Fernschreibverkehr ab.
EIN SENSATIONELLER FUND IN PASEWALK
Nach seiner Entdeckung durch eine Fernmeldesondereinheit der sowjetischen Streitkräfte im April 1956 sorgte der Berliner Spionagetunnel weltweit für Aufsehen. Im Herbst 1956 wurde der circa 300 Meter lange Tunnelabschnitt auf Ostberliner Territorium entfernt. Die verbliebenen Segmente auf Westberliner Seite gerieten in Vergessenheit. Das änderte sich 1997. Das AlliiertenMuseum ließ einen etwa sieben Meter langen Abschnitt des „Laufstollens“ freilegen und abtransportieren, um ihn zu restaurieren und auszustellen. Zum weiteren Verbleib des DDR-Tunnelabschnitts gab es keine Hinweise – bis zum Jahr 2012.
„Ich glaube, es liegen Teile vom Berliner Spionagetunnel im Forst von Pasewalk.“ Das war die Aussage, die Werner Sobolewski Anfang August 2012 gegenüber dem Tunnelexperten des AlliiertenMuseums, Bernd von Kostka, am Telefon machte. Auf eine solche Spur hatte von Kostka seit der ersten Bergung 1997 auf Westberliner Gebiet und einer weiteren im Jahr 2005 nicht mehr zu hoffen gewagt. Der Historiker fuhr tags darauf nach Mecklenburg-Vorpommern und stellte vor Ort fest, dass es sich bei dem Fund tatsächlich um Teile des legendären Tunnels handelte.
Den Recherchen zufolge waren Pioniereinheiten der Nationalen Volksarmee der DDR 1956 mit der Entfernung der Tunnelsegmente im sowjetischen Sektor Berlins beauftragt. Die Pioniere erkannten deren Nutzen für ihre eigene militärische Arbeit. Und so wurde fortan eine Reihe von Segmenten als Unterstände und Kommandozentralen für Übungen verwendet. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 verblieben sie teilweise in der Erde – so auch in Pasewalk. Zusammen mit der Denkmalschutzbehörde und den Verantwortlichen für den Pasewalker Forst ließ das AlliiertenMuseum diese Tunnelsegmente im Dezember 2012 bergen. Sie befinden sich inzwischen im Museumsdepot.
Die abenteuerliche Geschichte des Berliner Spionagetunnels ist 56 Jahre nach dessen Entdeckung mit dem Fund in Pasewalk um die spannende Episode der „Nachnutzung“ in der DDR erweitert und kann als ein Kapitel des Kalten Krieges erst jetzt umfassend erzählt werden. Weltweit besitzt einzig das AlliiertenMuseum Originalteile des Tunnels, von denen eines in der Dauerausstellung zu sehen ist. Es gehört zu den erklärten Highlights unserer Besucher.